Freitag, 9. Mai 2014

Eine Geschichte,

"Mama?" Der kleine Jacob nimmt noch schnell einen Löffel von seinen Cornflakes, bevor er hinüber zur Spüle schaut, wo seine Mutter gerade den Abwasch macht.
"Mama? Wann macht die Welt Mittagsschlaf?" Diese dreht sich kurz zu ihrem Sohn um. "Das ist ganz unterschiedlich, wann die Kinder in anderen Ländern schlafen Schatz." Jacob schüttelt eindringlich den Kopf. "Nein, wann hört die Welt auf sich zu drehen und ruht sich aus?"
Die Mutter legt die Bürste zur Seite und zieht langsam ihre Handschuhe aus. "Wie kommst du denn auf die Idee?" Sie setzt sich zu ihm und muss ein wenig schmunzeln. Jacob aber ist sein Anliegen sehr ernst. Er holt seinen Notizblock aus der Hosentasche. "Wann? Die Welt muss doch mal eine Pause von dem ganzen drehen machen. Sonst wird ihr doch schwindlig. Also wann ist das? Nach dem Mittagessen?" Bei diesen Worten muss Jacobs Mutter lachen, was ihn ein wenig wütend macht. "Warum lachst du?", fragt er patzig.
Als sie merkt, dass er es wirklich ernst meint, nimmt sie ihn in die Arme. "Es tut mir leid Jacob.", antwortet sie beruhigend, "Die Welt macht keine Pause. Sie dreht sich im weiter."
Jacob befreit sich aus ihren Armen und sieht sie ungläubig an. "Vielleicht sollt ich doch lieber meinen Lehrer Fragen." Seine Mutter sieht die Enttäuschung in Jacobs Gesicht. "Wie kommst du auf die Idee Schatz?"
Der kleine Junge richtet seinen Blick auf seine Müslischale und rührt traurig mit seinem Löffel darin herum. "Es ist wegen Opa.....Oma sagt er muss bald sterben." Die Frau legt ihre Hand auf seine Schulter und nickt wortlos. "Und Tobis hat gesagt, sein Papa hat gesagt, wenn jemand tot ist, hört die Welt auf sich zu drehen und derjenige ist wieder da. Also ist Opa doch nicht für immer weg ? Er kommt doch dann wieder, wenn die Welt Mittagsschlaf macht?" Traurig lächelt er seine Mutter an, in der Hoffnung sie würde es ihm doch noch verraten. "Ich will nicht das Opa für immer weg ist."
Eine Träne läuft ihr übers Gesicht aber sie wicht sie sofort wieder weg. Sie dreht ihren Sohn sanft zu sich. "Hör mir gut zu Schatz. Die Welt wird nicht stehen bleiben. Das ist nur etwas was man so sagt. Etwas, was sich viele Menschen wünschen, weil es sie sehr traurig macht, wenn ein Mensch stirbt." Jacob fängt an zu weinen. "Dann wird er für immer weg sein? Nein das will ich nicht Mama. Ich will nicht, dass er stirbt." Sanft nimmt die Frau den weinenden Jungen in den Arm und streicht ihm beruhigend über den Kopf, während dieser immer heftiger schluchzt. Nur langsam schafft er es sich zu beruhigen. "Hör mir zu", sie löst langsam ihre Umarmung und wischt ihm sacht die letzte Träne aus dem Gesicht. "Hör mir zu mein Schatz, Opa wird bald sterben das stimmt,er ist sehr krank. Wir werden ihn nicht mehr sehen können aber er wird nie ganz weg sein." Jacob lehnt sich gegen seine Mutter. "Das versteh ich nicht. Wie kann er da sein wenn ich ihn nicht sehen?" Wieder streichelt sie ihm über den Kopf. "Kannst du dich noch daran erinnern, was Opa dir beigebracht hat?" Er schaut zu ihr auf. "Ja ....er hat mir gezeigt wie man die Uhr liest." Seine Mutter nickt. "Und die schönen Geschichten, die er dir immer erzählt hat? Du kannst sie doch schon alle auswendig. und die Ausflüge, die ihr mit ihm gemacht habt?" "Ja wir haben Fotos davon.", antwortet das Kind.
"Opa ist immer bei dir Schatz. Jedes Mal, wenn du auf die Uhr siehst, jedes Mal wenn du deinen Freunden eine seiner Geschichten erzählst und immer wenn du dir die Fotos anschaust. Solange du ihn lieb hast, wird er nicht ganz weg sein."Jacob ist von ihrer Antwort nicht ganz überzeugt." Das ist nicht das gleiche. Wer erzählt mir denn dann noch die Geschichten?", fragt er traurig.
"Nein mein Schatz es ist nicht das gleiche, aber es ist alles was uns bleibt. Unsere Liebe bleibt und das ist das wichtigste."Eine Weile bleibt die Frau so sitzen, ihren kleinen Jungen im Arm und beide sagen nichts. Bis Jacob schließlich das Schweigen unterbricht: "Mama?" Er schaut zu ihr auf. "Ja Schatz" Er schaut ihr genau in die Augen. "Bist du traurig, weil Opa sterben muss?" Sie nickt Wortlos. Tränen brennen ihr in den Augen. Eilig wischt sie diese weg, bevor sie ihr Kind sanft aufsetzt und aufsteht. "Weißt du was? Wir gehen zum Opa...... sein Opa ist sehr schwach, aber als er seinen Enkel sieht, fängt er an zu lächeln. "Hallo mein Engel.", sagt er so leise, das Jacob es kaum hören kann. Unsicher schaut er zu seiner Mutter. Diese nicht ihm aufmunternd zu. Langsam geht er zu seinem Opa. Der Mann der da liegt, hat nicht mehr viel mit seinem Opa gemeinsam.
"Lisa mein Kind. Lässt du mich kurz mit ihm allein?" Die junge Frau nickt und küsst erst ihren Vater, dann ihren Sohn auf die Stirn. "Ich warte vor der Tür."
Als die beiden alleine sind, klopft Jacobs Opa leicht neben sich aufs Bett. Er schafft es kaum seine Hand hoch zu heben. "Komm her mein Engel. Warum weinst du?" Jacob wischt sich schnell die Tränen weg. "Erzählst du mir eine Geschichte Opa?" Der Alte setzt sich ein Stück weit auf und deutet mit seinem Kopf auf den Nachtisch. "Schau mal in die Schublade."
Jacob holt ein großes, rotes Buch aus der Schublade. "Was ist das?", fragt er. "Sieh hinein."
Als das Kind das Buch öffnet fangen seine Augen an zu leuchten. Sein Opa hatte all seine Geschichten in diesem Buch für ihn aufgeschrieben. "Danke Opa. ....er lächelt müde. "Komm setz dich zu mir mein Engel. Erzähl du mir eine Geschichte."

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